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Studium

Zum Wintersemester 1968/69 nahm ich das Studium der Allgemeinen und Vergleichenden Sprachwissenschaft sowie der Romanistik (Spanisch und Italienisch), zusätzlich, und aus eher privatem Interesse, das der Slavistik an der damals noch renommierten Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität auf. Nach dem ersten Semester gab ich jedoch die Romanistik auf, die man seinerzeit ohne solides Französisch noch nicht studieren konnte; mein gutes Italienisch und Spanisch konnten das nicht kompensieren. Für die Slavistik hingegen hatte ich den Vorteil, schon gute Russisch- und Bulgarischkenntnisse zu besitzen, so dass ich sofort mit dem dritten Russischkurs hatte beginnen können, und meine Bulgarischkenntnisse hatten mir den Zugang zum obli­gato­rischen Altkirchenslavischen erleichtert. Da Bulgarisch in Bonn nicht vertreten war, hatte ich als weitere slavische Sprache Polnisch gewählt, jedoch war der Unterricht unbefriedigend, so dass ich zum Wintersemester 1969/70 zum Serbokroatischen wechselte.

Aber nicht nur meine bulgarische Freundin motivierte mich zum Slavistikstudium, sondern auch meine Abstammung. Die Familie Trunte (niedersorbisch trunta bezeichnete eine Kin­der­pfeife) hatte mein Vater für den damals vorgeschriebenen Ahnenpass noch bis zu seinem 1791 in Sergen geborenen Ururgroßvater zurückverfolgen können, sein Vater hatte, wie mein Vater zu berichten wusste, mit den wendischen Bauern noch in ihrer Sprache sprechen können, während mein Vater nur noch bis „fünf“ zählen konnte (als angehender Slavist traute ich ihm allerdings nicht, denn dass die Zahl 5 (pěś) wie „pisch“ klingen könnte, konnte ich mir damals nicht vorstellen). Slaven gab es aber auch unter den Vorfahren meiner Mutter. Über Wien führt eine Linie zurück zu einer tschechischen Familie aus Brünn, ein anderer Zweig zu Polen, die mit Jan Sobieski aus Graudenz nach Wien gekommen waren. Schon während meiner Anfangsstudien im Russischen war ich zudem mit dem Sorbischen in Berührung gekommen, weil meine Tante in ihrer Bücherei in Kahren sorbische Bücher hatte, wobei es mir niedersorbische Volks­erzählungen angetan hatten, die mir dank der beigefügten deutschen Übersetzung zugänglich waren.

Meine wichtigsten Lehrer in der Sprachwissenschaft waren Johann Knobloch (1919–2010) und Günter Neumann (1920–2005), daneben Harald Jankuhn und Gernot Schmidt. Im ersten Semester hatte mich die Einführung in die kulturgeschichtliche Wortforschung bei Johann Knobloch fasziniert, vor allem auch, dass Beispiele aus etwa 80 Sprachen an die Tafel ge­schrie­ben wurden, davon alles Griechische, Kyrillische und Hebräische in Originalschrift oh­ne Transliteration. Ich gewann den Eindruck, dass man als Sprachwissenschaftler Kennt­nisse in diesem Umfang erwerben müsse. Das obligatorische Griechische lernte ich sogleich und bestand am 14. Oktober 1969 das Graecum. Als nicht-indogermanische Kontrastsprache, die zudem gut zu meinen südslavischen Interessen passte, lernte ich Türkisch. Im Tscher­kes­sischen, in das Johann Knobloch einführte, fühlte ich mich freilich nicht heimisch, eher schon im Romani, das ich dem folgen ließ. Überfordert fühlte ich mich im Wintersemester 1969/70 auch durch das obligatorische Sanskrit, das ich bei den Indologen zu lernen versuchte. Nach dem ersten Semester gab ich es auf, nachdem ich erfahren hatte, dass Sanskritkenntnisse in der Indogermanistik durch Kirchenslavisch- oder Litauischkenntnisse ersetzt werden konnten. Mehr Freude machte mir das Altpersische, außerdem lernte ich als wichtige Kontaktsprachen zur Slavia Ungarisch, Neugriechisch und Rumänisch, die ich 1969 bzw. 1970 erstmals auf Urlaubsreisen praktisch anwenden konnte. 1970/71 kam auch noch das Litauische dazu. Mei­ne Hauptsprache in der Indogermanistik aber war das Griechische, zu dem ich vor allem bei Günter Neumann (1920–2005) (griechische Dialekte) und Harald Jankuhn (Ilias, nur die ersten zehn Verse brauchten wir das ganze Semester!) Übungen besuchte. Dennoch musste ich allmählich ein­sehen, dass ein nachträglich erworbenes Graecum kein Schulgriechisch und jahrelange Lese­erfahrung ersetzen kann. Auch konnte ich Günter Neumanns Interesse an den klein­asiatischen „Trümmersprachen“ wenig abgewinnen, so dass ich nach dessen Fortgang beschloss, die Indogermanistik aufzugeben und eine konkretere Philologie, die Slavistik, zu meinem Haupt- und die Südslavistik zu meinem ersten Nebenfach zu machen. Dennoch besuchte ich weiterhin Übungen am Sprachwissenschaftlichen Institut, vor allem zum Griechischen, 1975 auch zum Albanischen, 1977 zum Mittelpersischen und Kurdischen.

Meine wichtigsten Lehrer in der Slavistik waren Hans Rothe (1928–2021) und Miroslav Kravar (1914–1999). Mein Schwerpunkt lag im Bereich der Südslavistik, auch wenn ich dem damaligen Angebot entsprechend bei Miroslav Kravar mehr Seminare zum meist älteren Russischen als zum Südslavischen besucht habe, erst seit Sommersemester 1973 auch zum Altserbischen, Altkroatischen und zur südslavischen Volksepik. Eine hervorragende Ergän­zung bildeten die Veranstaltungen von Vera Bojić, die 1971/72 das serbokroatische Lekto­rat übernommen hatte und den Unterricht auf hohem Niveau fortsetzte. Da das Bulgarische in Bonn noch immer nicht vertreten war, besuchte ich 1975 und 1976 Veranstaltungen dazu in Köln, ansonsten pflegte ich das Bulgarische durch intensive Lektüre und einen umfangreichen Briefwechsel (mehrere Briefe pro Woche und meist über 20 Seiten jeder). Als dritte südslavische Sprache war schon 1970 das Makedonische dazugekommen, als Hans Rothe mir einen Sommerkurs in Skopje und Ohrid vermittelte. Die Makedonischkurse in Ohrid besuchte ich von da an jedes zweite Jahr (nach 1970 auch 1972, 1974 und 1976), dazwischen 1971 einen Sommerkurs für Serbokroatisch in Zadar und Novi Sad (außer Serbokroatisch erwarb ich hier obligatorischen Grundkenntnisse in einer weiteren „jugoslavischen“ Sprache, in mei­nem Falle, da ich Makedonisch schon beherrschte, im Slovenischen), 1973 einen für Bul­garisch in Sofia und 1975 einen für Albanisch in Peć/Peja. Hans Rothe hatte mir auch geraten, auf den Magister, der nichts wert sei, zu verzichten und sogleich die Promotion anzustreben. Seit 1974 arbeitete ich an einer Dissertation über den Dialekt von Ohrid, doch kam die Arbeit in Folge mangelnder Zusammenarbeit mit der makedonischen Seite nicht gut voran. Darum griff ich sofort zu, als Hans Rothe mir 1977/78 eine Arbeit aus dem Bereich des Altukrai­nischen anbot. Ukrainisch hatte ich schon seit 1971/72 gelernt und damals auch ein Seminar bei Hans Rothe zum Altukrainischen (Ostslavische Kunstdichtung) besucht. Auch dem Polnischen, ohne das das Altukrainische kaum zu verstehen ist, hatte ich mich seit 1972 wieder gewidmet, vor allem dann seit 1975/76 bei dem hervorragenden Lektor Waldemar Klemm, der kaum Deutsch sprach und uns so nötigte, ganz in das polnische Medium einzutau­chen.

Als zweites Nebenfach hatte ich 1973 die Islamkunde gewählt. Dazu war ich auf Umwegen ge­kommen. Anfang 1972 hatte ich in einem Esperanto-Buch einen Satz auf Hebräisch ge­fun­den, der zwar mit einer Übersetzung versehen war, die ich aber nicht nachvollziehen konnte. Daraufhin kaufte ich ein Hebräisch-Lehrbuch und begann, mich als Autodidakt in diese Sprache einzuarbeiten. Da sie mir sehr leicht vorkam (bis zum Verb war ich noch nicht vorgedrungen), glaubte ich es mir erlauben zu dürfen, nebenbei einen Hebräischkurs bei den Theologen zu besuchen. Aus Solidarität mit den übrigen Studenten, für die das obligatorisch war, machte ich auch das Hebraicum, das ich im Sommer 1973 bestand. Als Heinrich Schüt­zinger vom Orientalischen Seminar im Wintersemester 1972/73 eine Einführung in die Semi­­tis­tik anbot, besuchte ich auch diese, um ein solideres Fundament zu haben, außerdem lernte ich bei ihm, da es dafür an Studenten mangelte, ein Semester lang Akkadisch. Danach hielt ich es f­ür notwendig, zur Abrundung meiner semitistischen Kenntnisse auch Arabisch zu lernen und be­gann damit im Sommersemester 1973 bei Albrecht Noth (1937–1999) und Klaus Lech. Die Sprache machte mir so viel Freude, dass ich die Islamkunde zu meinem neuen Nebenfach machte. Um eine Verbindung zur Slavistik herzustellen, frischte ich auch meine Türkischkenntnisse auf und besuchte einen Kurs für Osmanisch. Ohne Persisch ist aber Osmanisch nicht zu beherrschen, weshalb ich ab dem Sommersemester bei Tilman Nagel, der mein wichtigster ak­ademischer Lehrer in der Islamkunde und späterer Prüfer wurde, auch Persisch trieb, daneben bei Werner Schmucker, der auch mein wichtigster Lehrer für Osmanisch war. Persisch wurde sogar meine Hauptsprache im Bereich der Islamkunde.