Nicolina Trunte
азъ бѹкъɪ вѣдѣ
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Curriculum vitae
 

Kindheit

Am 2. Mai 1948 erblickte ich als erstes Kind des Studenten und nachmaligen Elektro-Ingenieurs Heinrich Sigismund Johannes Trunte (20.9.1920–31.5.2000) und seiner Ehefrau Hildegard Marianne Trunte, geb. Pfeiffer (*10.10.1924), in Bremen das Licht der Welt und wurde drei Tage später auf den Namen Hartmut Karl Reinhard getauft. 1950 fand mein Vater eine Anstellung bei der AEG in Düsseldorf, was zu unserer Übersiedlung an den Rhein führte. Hier wurde am 6. Oktober 1950 meine Schwester Ursula Bertha Marianne geboren. Es gelang meinen Eltern, 1953 aus den Elend der Trümmerlandschaft Düsseldorfs in das ver­gleichs­weise idyllische Erkrath zu übersiedeln, wo ich im Frühjahr 1954 in die Evangelische Volks­schule eingeschult wurde.

 

Schulzeit

Nach bestandener Aufnahmeprüfung wechselte ich im Frühjahr 1958 auf das Neusprachliche Gymnasium Gerresheim, wurde aber gleich nach den ersten Tagen wegen einer nie richtig diagnostizierten Gelenkentzündung im linken Knie „zur Beobachtung“ ins Krankenhaus eingeliefert, aus dem ich erst zu Weihnachten „auf Urlaub“ wieder entlassen wurde. Glück­li­cherweise gab es im Januar 1959 kein freies Bett, so dass ich nicht ins Krankenhaus zu­rückkehrte, sondern meine Eltern mich in ihrer Verzweiflung zu dem Heilpraktiker Dr. Lie­then brachten, der mich kostenlos (das übliche Honorar hätten meine Eltern nicht aufbringen können) innerhalb kurzer Zeit völlig heilte. Eine „Nachuntersuchung“ zehn Jahre später im Krankenhaus bestätigte den Ärzten die vermeintliche Richtigkeit ihrer „Be­hand­lung“ (Ein­gipsen und Liegenlassen). Die nachträglich gestellte Diagnose Knochenmarkentzündung ersparte mir dann aber zumindest den Wehrdienst.

Da ich den größten Teil des Schuljahrs versäumt hatte, geriet ich mit meinen Leistungen vor allem in den Fremdsprachen, Englisch und dann nach anfänglich hier besseren Erfolgen, auch im Lateinischen ins Hintertreffen; die Schwierigkeiten nahmen nach einem Lehrerwechsel vor allem im Englischen noch zu und gefährdeten meine Versetzung. Da meine Eltern für eine reguläre Nachhilfe kein Geld hatten, schickten sie mich stattdessen 1962 zu einem Eng­lisch­kurs an die Volkshochschule. Durch die Lektüre des Kinderbuchs Winnie-the-Pooh gewann ich Freude am Englischen (erste Brieffreundschaften auf Englisch) und dann an Sprachen über­haupt. An einem Wochenende bekam ich Lust auf eine weitere Sprache und lernte Esperanto, für das in der Jugendzeitschrift Liliput einige Jahre zuvor ein Kurs erschienen war, obwohl ich wegen des „Dr.“ beim Verfassernamen Zamenhof vermeinte, es müsse sich um eine Geheimsprache von Ärzten handeln, und ich mit Ärzten nach meinen schlechten Er­fah­rungen eigentlich nichts zu tun haben wollte. Nachdem ich an zwei Wochenenden diese Spra­che gelernt hatte, wandte ich mich dem Spanischen zu, für das meine Mutter einen Fern­lehrgang besaß, den sie vor der Währungsreform, als es kaum etwas zu kaufen gab, erworben hatte. Da ich alleine mit dem Kurs nicht zufrieden war, besuchte ich ab 1963 Spanischkurse an der Volkshochschule. Diese Sprache konnte ich erstmals 1965 anwenden, als ich in den Schulferien in einer Feinkostfabrik arbeitete (zu einem Stundenlohn von 1,80 DM, was besser war als die 1,50 DM im Jahr zuvor in einer lärmenden Papierfabrik). Die Feinkostfabrik be­schäftigte außer Schülern nur Gastarbeiter, nur der Vorarbeiter war Deutscher; mit den Spa­niern konnte ich mich gut verständigen, die meisten aber waren Italiener, und so lernte ich als Autodidakt nebenbei auch Italienisch. Ebenfalls 1965 konnte ich meine Esperanto­kenntnisse vertiefen, nachdem ich in einer Buchhandlung richtige Lehrbücher dafür gefunden hatte, und so fing ich an, auch auf Esperanto Brieffreundschaften zu pflegen. Als weitere Sprache kam ebenfalls 1965 Russisch dazu, das für alle Schulen Düsseldorfs gemeinsam zentral einmal die Woche nachmittags angeboten wurde. Die Lehrerin war Baltendeutsche, der Kurs gut, nur dass sie, um uns den Zugang zu erleichtern, Russisch mit Okanje beibrachte. Immerhin lernten wir in zwei Jahren genug, dass ich auch auf Russisch Brieffreundschaften pflegen und später beim Slavistikstudium die ersten beiden Semester Russisch überspringen konnte. Mein erstes russisches Buch, das ich freilich damals nur mühsam mit Hilfe eines Wörterbuchs las, war die Kirchenslavischgrammatik von Gorškov. Da ich mich angesichts der seinerzeitigen Schwierigkeiten mit Fremdsprachen und meiner Freude an Naturwissenschaften (ich hatte davon geträumt, Atomphysiker zu werden) für den naturwissenschaftlichen Zweig des Gymnasiums entschieden hatte, fehlte mir noch das Französische. Das konnte ich erst 1967 im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft zumindest in Grundzügen dazuerwerben. Nur kurze Zeit lernte ich auch freiwillig privatissime bei meinem Lateinlehrer morgens in der „nullten Stunde“ (7 Uhr) Altgriechisch, doch endete der Kurs bald, als die anderen beiden Interes­senten aufgaben. Die letzten Sprachen, die ich noch in der Schulzeit zu lernen begann, waren Japanisch (nur in Umschrift), das mich wegen einer japanischen Brieffreundin, mit der ich sonst auf Esperanto korrespondierte, interessierte, und Bulgarisch als Vorbereitung auf eine ge­plante Reise, zu der mich meine bulgarische Brieffreundin, mit der ich anfangs noch russisch korrespondierte, eingeladen hatte.

 Mein Religionslehrer Dr. Meyer, der unter anderem bei Leo Weisgerber in Bonn Sprach­wis­senschaft studiert hatte, und bei dem ich 1967 an einer Arbeitsgemeinschaft Anthropologie teilnahm, bestimmte die Wahl des Studienortes Bonn und des Studienfachs Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft. Nach dem Abitur im Juni 1968 trat ich die geplante Reise nach Bulgarien an, das erste Mal allein.

 

Studium

Zum Wintersemester 1968/69 nahm ich das Studium der Allgemeinen und Vergleichenden Sprachwissenschaft sowie der Romanistik (Spanisch und Italienisch), zusätzlich, und aus eher privatem Interesse, das der Slavistik an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität auf. Nach dem ersten Semester gab ich jedoch die Romanistik auf, die man damals ohne solides Französisch noch nicht studieren konnte; mein gutes Italienisch und Spanisch konnten das nicht kompensieren. Für die Slavistik hingegen hatte ich den Vorteil, schon gute Russisch- und Bulgarischkenntnisse zu besitzen, so dass ich sofort mit dem dritten Russischkurs hatte beginnen können, und meine Bulgarischkenntnisse hatten mir den Zugang zum obli­gato­rischen Altkirchenslavischen erleichtert. Da Bulgarisch in Bonn nicht vertreten war, hatte ich als weitere slavische Sprache Polnisch gewählt, jedoch war der Unterricht unbefriedigend, so dass ich zum Wintersemester 1969/70 zum Serbokroatischen wechselte.

 Aber nicht nur meine bulgarische Freundin motivierte mich zum Slavistikstudium, sondern auch meine Abstammung. Die Familie Trunte (niedersorbisch trunta bezeichnete eine Kin­der­pfeife) hatte mein Vater für den damals vorgeschriebenen Ahnenpass noch bis zu seinem 1791 in Sergen geborenen Ururgroßvater Hans Trunte zurückverfolgen können, sein Vater, der Malermeister Johann Carl August (geb. 1885), hatte, wie mein Vater zu berichten wusste, mit den wendischen Bauern noch in ihrer Sprache sprechen können, während mein Vater nur noch bis „fünf“ zählen konnte. Slaven gab es aber auch unter den Vorfahren meiner Mutter. So war meine Urgroßmutter in der weiblichen Linie eine geborene Marianne Pro­chas­ka und stammte über ihren 1842 geborenen Vater, den k. k. Kammerdiener Philipp Prochaska, aus Brünn, während mein Urgroßvater in weiblicher Linie auf den 1848 in Wien geborenen Gerichtsdiener Franz Klimek zurückführt, dessen Familie mit Jan Sobieski aus Graudenz nach Wien gekommen war. Schon während meiner Anfangsstudien im Russischen war ich zudem mit dem Sorbischen in Berührung gekommen, weil meine Tante Johanna Nesener, geb. Trun­te, in ihrer Bücherei in Kahren sorbische Bücher hatte, wobei es mir niedersorbische Volks­erzählungen angetan hatten, die mir dank der beigefügten deutschen Übersetzung zugänglich waren.

Meine wichtigsten Lehrer in der Sprachwissenschaft waren Johann Knobloch (1919–2010) und Günter Neumann (1920–2005), daneben Harald Jankuhn und Gernot Schmidt. Im ersten Semester hatte mich die Einführung in die kulturgeschichtliche Wortforschung bei Johann Knobloch fasziniert, vor allem auch, dass Beispiele aus etwa 80 Sprachen an die Tafel ge­schrie­ben wurden, davon alles Griechische, Kyrillische und Hebräische in Originalschrift oh­ne Transliteration. Ich gewann den Eindruck, dass man als Sprachwissenschaftler Kennt­nisse in diesem Umfang erwerben müsse. Das obligatorische Griechische lernte ich sogleich und bestand am 14. Oktober 1969 das Graecum. Als nichtindogermanische Kontrastsprache, die zudem gut zu meinen südslavischen Interessen passte, lernte ich Türkisch. Im Tscher­kes­sischen, in das Johann Knobloch einführte, fühlte ich mich freilich nicht heimisch, eher schon im Romani, das ich dem folgen ließ. Überfordert fühlte ich mich im Wintersemester 1969/70 auch durch das obligatorische Sanskrit, das ich bei den Indologen zu lernen versuchte. Nach dem ersten Semester gab ich es auf, nachdem ich erfahren hatte, dass Sanskritkenntnisse in der Indogermanistik durch Kirchenslavisch- oder Litauischkenntnisse ersetzt werden konnten. Mehr Freude machte mit das Altpersische, außerdem lernte ich als wichtige Kontaktsprachen zur Slavia Ungarisch, Neugriechisch und Rumänisch, die ich 1969 bzw. 1970 erstmals auf Urlaubsreisen praktisch anwenden konnte. 1970/71 kam auch noch das Litauische dazu. Mei­ne Hauptsprache in der Indogermanistik aber war das Griechische, zu dem ich vor allem bei Günter Neumann (griechische Dialekte) und Harald Jankuhn (Ilias, nur die ersten zehn Verse brauchten wir das ganze Semester!) Übungen besuchte. Dennoch musste ich allmählich ein­sehen, dass ein nachträglich erworbenes Graecum kein Schulgriechisch und jahrelange Lese­erfahrung ersetzen kann. Auch konnte ich Günter Neumanns Interesse an den klein­asiatischen „Trümmersprachen“ wenig abgewinnen, so dass ich nach dessen Fortgang beschloss, die Indogermanistik aufzugeben und eine konkretere Philologie, die Slavistik, zu meinem Haupt- und die Südslavistik zu meinem ersten Nebenfach zu machen. Dennoch be­suchte ich weiter­hin Übungen am Sprachwissenschaftlichen Institut, vor allem zum Griechischen, 1975 auch zum Albanischen, 1977 zum Mittelpersischen und Kurdischen.

Meine wichtigsten Lehrer in der Slavistikwaren Hans Rothe (*1928) und Miroslav Kravar (1914–1999). Mein Schwerpunkt lag im Bereich der Südslavistik, auch wenn ich dem damaligen Angebot entsprechend bei Miroslav Kravar mehr Seminare zum meist älteren Russischen als zum Südslavischen besucht habe, erst seit Sommersemester 1973 auch zum Alt­serbischen, Altkroatischen und zur südslavischen Volksepik. Eine hervorragende Ergän­zung bildeten die Veranstaltungen von Vera Bojić, die 1971/72 das serbokroatische Lekto­rat übernommen hatte und den Unterricht auf hohem Niveau fortsetzte. Da das Bulgarische in Bonn noch immer nicht vertreten war, besuchte ich 1975 und 1976 Veranstaltungen dazu in Köln, ansonsten pflegte ich das Bulgarische durch intensive Lektüre und einen umfangreichen Briefwechsel (mehrere Briefe pro Woche und meist über 20 Seiten jeder). Als dritte südslavische Sprache war schon 1970 das Makedonische dazugekommen, als Hans Rothe mir einen Sommerkurs in Skopje und Ohrid vermittelte. Die Makedonischkurse in Ohrid besuchte ich von da an jedes zweite Jahr (nach 1970 auch 1972, 1974 und 1976), dazwischen 1971 einen Sommerkurs für Serbokroatisch in Zadar und Novi Sad (außer Serbokroatisch erwarb ich hier obligatorischen Grundkenntnisse in einer weiteren „jugoslavischen“ Sprache, in mei­nem Falle, da ich Makedonisch schon beherrschte, im Slovenischen), 1973 einen für Bul­garisch in Sofia und 1975 einen für Albanisch in Peć/Peja. Hans Rothe hatte mir auch geraten, auf den Magister, der nichts wert sei, zu verzichten und sogleich die Promotion anzustreben. Seit 1974 arbeitete ich an einer Dissertation über den Dialekt von Ohrid, doch kam die Arbeit in Folge mangelnder Zusammenarbeit mit der makedonischen Seite nicht gut voran. Darum griff ich sofort zu, als Hans Rothe mir 1977/78 eine Arbeit aus dem Bereich des Alt­ukrai­nischen anbot. Ukrainisch hatte ich schon seit 1971/72 gelernt und damals auch ein Seminar bei Hans Rothe zum Altukrainischen (Ostslavische Kunstdichtung) besucht. Auch dem Polnischen, ohne das das Altukrainische kaum zu verstehen ist, hatte ich mich seit 1972 wieder gewidmet, vor allem dann seit 1975/76 bei dem hervorragenden Lektor Waldemar Klemm, der kaum Deutsch sprach und uns so nötigte, ganz in das polnische Medium einzu­tau­chen.

Als zweites Nebenfach hatte ich 1973 die Islamkunde gewählt. Dazu war ich auf Umwegen ge­kommen. Anfang 1972 hatte ich in einem Esperanto-Buch einen Satz auf Hebräisch ge­fun­den, der zwar mit einer Übersetzung versehen war, die ich aber nicht nachvollziehen konnte. Daraufhin kaufte ich ein Hebräisch-Lehrbuch und begann, mich als Autodidakt in diese Sprache einzuarbeiten. Da sie mir sehr leicht vorkam (bis zum Verb war ich noch nicht vorgedrungen), glaubte ich es mir erlauben zu dürfen, nebenbei einen Hebräischkurs bei den Theologen zu besuchen. Aus Solidarität mit den übrigen Studenten, für die das obligatorisch war, machte ich auch das Hebraicum, das ich im Sommer 1973 bestand. Als Heinrich Schüt­zinger vom Orientalischen Seminar im Wintersemester 1972/73 eine Einführung in die Semi­­tis­tik anbote, besuchte ich auch die, um ein solideres Fundament zu haben, außerdem lernte ich bei ihm, da es Studenten mangelte, ein Semester lang Akkadisch. Danach hielt ich es f­ür notwendig, zur Abrundung meiner semitischen Kenntnisse auch Arabisch zu lernen und be­gann damit im Sommersemester 1973 bei Albrecht Noth und Klaus Lech. Die Sprache machte mir so viel Freude, dass ich die Islamkunde zu meinem neuen Nebenfach machte. Um eine ­Verbindung zur Slavistik herzustellen, frischte ich auch meine Türkischkenntnisse auf und besuchte einen Kurs für Osmanisch. Ohne Persisch ist aber Osmanisch nicht zu beherrschen, weshalb ich ab dem Sommersemester bei Tilman Nagel, der mein wichtigster ak­ademischer Lehrer in der Islamkunde und späterer Prüfer wurde, auch Persisch trieb, daneben bei Werner Schmucker, der auch mein wichtigster Lehrer für Osmanisch war. Persisch wurde sogar meine Hauptsprache im Bereich der Islamkunde.

 

Studentische Hilfskraft

Zum Wintersemester 1971/72 hatte mir Hans Rothe eine Stelle als studentische Hilfskraft am Slavistischen Seminar angeboten, die ich nach der Rückkehr von meiner großen Balkanreise (von Rijeka über Zadar nach Novi Sad und Belgrad nach Sofia, dann über Tărnovo und Ruse nach Bukarest, weiter nach Oradea, Budapest und Wien) antrat. Meine erste Aufgabe auf der neuen Stelle bestand in der Vorbereitung einer Bibliographie zu der russischen Zeitschrift Рус­ская мысль; es folgte die Beteiligung an diversen Editionen, vor allem an Rothes Ost­slavischer Kunstdichtung. Nebenbei las ich mich in Pausen in das Weißrussische ein. Inner­halb der Ostslavischen Kunstdichtung hätte auch das Werk Перло многоцѣнное von Kyrylo Tran­kvilion Stavrovećkyj Berücksichtigung finden müssen, hätte jedoch wegen seines Um­fangs deren Rahmen gesprengt. So bot Hans Rothe mir 1977/78 an, diesen Text als Disser­tation zu bearbeiten.

Nachdem meine studentische Hilfskraftstelle im Februar 1978 endgültig nicht mehr ver­län­gerbar war, verhalf mir mein Doktorvater zu einem gut dotierten Stipendium nach Krakau an die Jagiellonische Universität. Dort schrieb ich von Herbst 1978 bis Frühjahr 1979 den größ­ten Teil meiner Dissertation. Von Februar 1978 bis zum Antritt meines Stipendiums war ich wieder finanziell von meinen Eltern abhängig. Es freute mich besonders, dass sie mir dennoch sogar die Teilnahme an einer Exkursion des Sprachwissenschaftlichen Instituts unter der Lei­tung von Johann Knobloch im September 1978 nach Albanien ermöglichten. Nach meiner Rückkehr aus Krakau nach Ostern 1979 erstellte ich den Sommer über das Typoskript meiner Dissertation. Die Gutachten (valde laudabilis) ließen danach wegen der Semesterferien lange auf sich warten, so das das Rigorosum erst am 23.1.1980 stattfinden konnte (magna cum lau­de). Anschließend sollte ich sofort die zunächst noch befristete Stelle eines wissen­schaftlichen Angestellten am Slavistischen Seminar antreten. Ich wollte jedoch nach der voraus­gegan­ge­nen Anstrengung erst einmal Urlaub machen, so dass ich die neue Stelle erst am 17.3.1980 antrat. Bis dahin unternahm ich eine große Rundreise durch Mexiko, die ich dadurch finan­zie­ren konnte, dass mein polnisches Stipendium, das ohnehin dem Gehalt eines dortigen Bibliothekars gleichkam, von deutscher Seite noch aufgestockt worden war, Geld, das ich zum Leben und sogar für die umfangreichen Bücherkäufe in Polen nicht gebraucht hatte.

 

Wissenschaftlicher Angestellter und „periphere Informationsbeschaffung“

Auf meiner Stelle als wissenschaftlicher Angestellter setzte ich zunächst die begonnene Ar­beit an der Edition des Перло многоцѣнное fort und stellte die Drucklegung meiner Dis­sertation zurück, um Erkenntnisse aus der genauen Textarbeit darin noch berücksichtigen zu können. Daneben zog mich Hans Rothe immer wieder zu seinen diversen Projekten heran. Die Edition beendete ich 1982 (erschienen 1984), den Kommentarband, dessen Grundbestand meine Dissertation war, 1983 (erschienen 1985). Die Hauptarbeit für den Editionsband be­stand im Nachweis von Zitaten, wodurch ich genötigt wurde, mich eingehender mit Theo­logie zu befassen. Seit dem Sommersemester 1982 besuchte ich daher Veranstaltungen zur Patristik und zur Orthodoxen Theologie bei Theodoros Nikolaou (*1942) (Theodoros Studites, Mario­logie, Trinitätslehre, liturgisches Leben, kirchliche Ost-West-Beziehungen, Ekkle­siologie, As­ke­se, Pneumatologie), zudem schon seit dem Wintersemester 1981/82 solche zur By­zan­tinistik bei Erich Trapp (*1942), außerdem seit dem Wintersemester 1982/83 Vorlesungen zur Kirchengeschichte bei J. F. Gerhard Goeters (1926–1996) und ab dem Wintersemester 1983/84 solche zur osteuropäischen Kirchengeschichte bei Gabriel Adriányi. Im Som­mer­semester 1984 kam dazu die Wissenschaft vom Christlichen Orient bei C. Detlef G. Müller (1927–2003) (zunächst Syrisch, dann Koptisch, Georgisch, Armenisch und Altäthiopisch). Hans Rothe duldete diese Aktivitäten nicht nur, sie wurden sogar in meinen dann unbe­fristeten Arbeitsvertrag unter der Rubrik „periphere Informationsbeschaffung“ als zu meinen Dienstobliegenheiten gehörend festgehalten. Infolge dieser ergänzenden Studien konnte ich den Kommentarband gegenüber der Dissertation erheblich erweitern, vor allem um alles Theologische. Abfallprodukte waren meine ersten beiden Aufsätze. Anschließend widmete ich mich der apokryphen Literatur und schließlich den Palejen, auf die mein Interesse durch eine byzantinistische Übung bei Rainer Stichel in Köln gelenkt worden war. Im Zusam­men­hang mit Apokryphen stand auch mein erster öffentlicher Vortrag auf einer wissen­schaft­lichen Tagung, den ich 1988 in Münster aus Anlass des Millenniums der Taufe Russlands hielt. Mit apokrypher Literatur beschäftigte ich mich auch weiterhin, vor allem bei der Arbeit mit dem Alexanderroman, die in einen Aufsatz einfloss, der in der Festschrift für Hans Rothe anlässlich seiner Emeritierung 1993 veröffentlicht wurde, zuletzt in einem Buch über die Apo­­kalypse des Paulus, das im Februar 2013 erschienen ist.

Nicht so peripher war ein weiterer Arbeitsschwerpunkt, zu dem mich Hans Rothe drängte, nämlich der Humanismus in den böhmischen Ländern. Nachdem die von ihm im Februar 1978 in Bonn durchgeführte Tagung zum ehrenden Gedenken an Alexander Brückner vor allem Fragen der polnischen Kultur im 16. Jahrhundert behandelt hatte (an der Vorbereitung der Drucklegung der Sammelbände der Tagung war ich als studentische Hilfskraft beteiligt), hatte er sich seit 1982 schwerpunktmäßig der Kultur in den böhmischen Ländern zugewandt. Nach dem Vorbild der Bonner deutsch-polnischen Konferenz von 1978 fand 1985 im Kloster Walberberg bei Brühl eine internationale Konferenz zum Humanismus in den böhmischen Ländern statt. 1987 folgte ein Arbeitstreffen mit tschechischen Kollegen in Marburg an der Lahn. Für die folgende Konferenz im März 1990 in Liblice bei Prag sollte auch ich einen Beitrag liefern. Da ich mich bis dahin mit dem Tschechischen kaum beschäftigt hatte, be­suchte ich nun die Kurse des Slavistischen Seminars, zusätzlich und vertiefend im Sommer 1988 die Sommerschule in Prag. Dieser Kurs ist mir in besonderer Erinnerung geblieben, weil die Delegation der DDR dort demonstrativen Schulterschluss mit den Teilnehmern aus der BRD suchte, und die gesamte Veranstaltung in einem Geiste stattfand, der bereits die Er­eignisse von 1989 vorwegzunehmen schien. Auch sprachlich war ich danach gut vorbereitet, 1990 in Liblice einen Vortrag über die Mappa Katolická des Jesuiten Jiří Plachý-Ferus von 1630 zu halten.

 

Lehrtätigkeit und Lehrbücher

Obwohl mein Arbeitsvertrag eigene Lehrtätigkeit nicht vorsah, gestattete sie mir Hans Rothe erstmals zum Wintersemester 1980/81. Ich hatte Interesse am Kirchenslavischen bekundet, doch konnte ich den Kirchenslavischunterricht erst ein Jahr später zum Wintersemester 1981/82 übernehmen, nachdem mein Kollege Franz Schäfer aus dem Dienst ausgeschieden war. Da die wenigsten Studenten Kenntnisse in anderen alten indogermanischen Sprachen be­saßen, änderte ich die Unterrichtsmethode insofern, als ich den diachronen Aspekt zu­rück­stellte und das Kirchenslavische zunächst synchron unterrichtete. Die zweite Neuerung be­stand darin, dass ich statt der üblichen biblischen Lesetexte, die – weil damals die Bibel den meisten noch geläufig war – kaum Interesse wecken konnten, mit der Vita Constantini einen kulturhistorisch interessantenText dem Unterricht zugrunde legte und ihn nicht nur unter sprachlichen, sondern auch unter kulturhistorischen Gesichtspunkten behandelte. Das jeweils zweite Semester hatte bisher das Russisch-Kirchenslavische zum Thema gehabt, hier er­wei­terte ich den Lektürekanon zunächst um altukrainische Texte, später auch mittel­bul­garische, altserbische und altkroatische. Aus dem Unterricht erwuchs dann allmählich ein Lehrbuch. Im Herbst 1988 lernte ich Peter Rehder kennen, dem ich es verdanke, dass mein Kirchen­slavisch­lehrbuch 1990 (Band I, vollständig neu überarbeitete 5. Auflage 2003) bzw. 1998 (Band II, vollständig neu überarbeitete Auflage ist in Vorbereitung und wird vielleicht noch 2013 erscheinen) in der von mir angestrebten preiswerten und für Studenten bezahlbaren Form erscheinen konnte. Abfallprodukte der Arbeit an den Kirchenslavischlehrbüchern waren diverse Aufsätze zum Kirchenslavischen, zum Glagolitischen, zur kyrillomethodianischen Zeit, zur Neuloka­lisie­rung Moravias nach Martin Eggers und zu den „russischen“ Buchstaben auf der Chersonesos.

Nach dem Erfolg der Kirchenslavischlehrbücher arbeitete ich seit Herbst 2005 an einer Ein­führung in das Griechische für Slavisten. Im Bereich der Paläoslavistik sind Griechisch­kennt­nisse unerlässlich, doch bringen die wenigsten Studierenden solche aus der Schule mit, und die zunehmende Verschulung an den Universitäten lässt ihnen auch immer weniger Freiräume, sich umfassend zu bilden. Hier sollte der Lernbehelf, der nach der Erprobung in den Win­tersemestern 2005/06 und 2006/07 im Sommer 2007 unter dem Titel Minima Graeca erschie­nen ist, Abhilfe schaffen. Von Lehrwerken des Altgriechischen unterscheidet sich das Buch durch die Textauswahl, die sich auf Werke beschränkt, die auch slavisch überliefert sind, von Lehrwerken zum Bibelgriechischen dadurch, dass nicht nur die Κοινή Berücksichtigung findet, andererseits aber der Bogen auch bis zum Neugriechischen im Gebrauch von Theologen (Καθαρεύουσα) gespannt wird.

Die Bestrebungen, Studienzeiten zu verkürzen und auf die neuen Bachelorstudiengänge um­zu­stellen, ließen es schließlich nicht länger zu, die traditionell in Bonn angebotenen Ein­führungen in die westslavischen bzw. in die südslavischen Sprachen durchzuführen, so dass ich im Wintersemester 2007/08 und erneut im Wintersemester 2008/09 beide Veranstaltungen zusammenfassend erstmals eine „Einführung in die Slavia Latina“ anbot. Daraus erwuchs im Frühjahr 2008 der Plan eines entsprechenden Lehrwerks, das ergänzend neben meine Lehr­bücher zum Kirchenslavischen und zum Griechischen treten sollte. Das umfangreiche Werk von über 800 Seiten ist im Februar 2012 erschienen. Auf eine Anregung einer bulgarischen Studentin, die an meiner Veranstaltung zur Slavia Latina teilnahm und sich ein analoges Werk zur Slavia Orthodoxa wünschte, eingehend, schreibe ich nun an einem entsprechenden Lehrwerk, das den zweiten Kirchenslavischband, der unter der heutigen Studiensituation kaum mehr Leser findet, durch Reduzierung des Kirchenslavischen bei Erweiterung um die volkssprachlichen Literaturen der Slavia Orthodoxa (einschließlich des Altrumänischen, das sonst vernachlässigt wird) ersetzen soll. Die Arbeit daran ist allerdings durch die Beschäftigung mit der Apokalypse des Paulus (2013 erschienen) und anschließlich druch die Vorbereitung eienr Neuauflage des Kirchensalvischlehrbuchs, Band II, ins Stocken geraten und wird kaum vor 2015 fertig werden können.

 

Zwischen Ehe und Religion

1980 begann nicht nur meine Tätigkeit als wissenschaftlicher Angestellter, im November desselben Jahres heiratete ich Gabriela Fonseca Valencia aus Guadalajara / Jalisco, die ich auf meiner Mexiko-Reise kennengelernt hatte. Das motivierte mich auch zur Auffrischung meiner Spanischkenntnisse, wobei mich allerdings das Altspanische mehr reizte, dazu auch das Kata­lanische und eine Übung zur Aljamiado-Literatur, die wir in arabischer Schrift lasen. Gleich­zeitig wandte ich mich im Rahmen meiner Arbeit wie meiner weiteren Studien immer mehr der Orthodoxie zu. Von einer Konversion hielt mich nur das völlige Unverständnis ab, dass meine Frau solch einem Schritt entgegenbrachte. Im Laufe der Zeit wurden meine religiösen Be­dürfnisse immer stärker, und 1986 besuchte erst erstmals (zum zweiten Male 1993) den Heiligen Berg Athos. Zwar war dieser Gegensatz nicht entscheidend, 1992 aber trennte ich mich doch von meiner Frau und trat danach 1994 unter dem neuen Namen Nikolaos zur Orthodoxie über. Als Slavisten hätte man mir sicher eher zugetraut, zur Russischen Kirche zu finden, jedoch konnte ich der verwestlichten Musik der Russischen Kirche wenig abgewinnen, während mich die byzantinische Musik weit mehr ansprach, dazu, dass die griechische Orthodoxie nun einmal das Original und Urbild für alle weiteren Orthodoxen Kirchen dar­stellt. 1995 ging ich auch eine neue Ehe mit der aus Saucești bei Bacău stammenden Lă­cră­mioara Maftei ein. Auch meine wissenschaftliche Tätigkeit erstreckte sich zunehmend auf orthodoxe Themen.

 

Schwerpunkt Hymnographie

Begonnen haben meine Kontakte zur orthodoxen Hymnographie schon in den 1980er Jahren, als Hans Rothe mich an seiner Arbeit zum altrussischen Kondakar’ beteiligte. Auch für ihn war das ein neues Thema, das er von dem verstorbenen Antonín Dostál geerbt hatte und nun fortführte, obwohl ihm als evangelischem Christen der Zugang zu orthodoxer Hymnographie fehlte. Als 1989 Jevgenij Michajlovič Vereščagin (Moskau) eine deutsch-russische Zusam­men­arbeit zur Fortsetzung der von Vatroslav Jagić begonnenen Edition der ältesten ostsla­vischen Menäen anregte, war ich von Anfang an diesem Projekt beteiligt. Obwohl ich 1990 zur Teilnahme an einem Bibelkongress nach Moskau gekommen war, bot sich hier doch die Möglichkeit der Kontaktpflege zu Je. M. Vereščagin, der das Projekt in Moskau leitete. 1992 war ich drei Wochen lang in Moskau, um an slavischen, vor allem aber an griechischen Handschriften Lücken der Edition zu schließen. Vom Herbst 1992 bis Ende 1995 war ich von meiner Angestelltenstelle am Seminar beurlaubt, um mich bei der Patristischen Kommission der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften ganz der Edition der Menäen widmen zu können. 1994 war ich im Rahmen dieser Tätigkeit noch einmal in Moskau und St. Petersburg. Leider war die Stelle nur befristet, und ich mochte das Risiko nicht eingehen, für die verlockende Tätigkeit meine sichere, unbefristete Anstellung am Slavistischen Semianr aufzugeben. So kehrte ich 1996 auf die Seminarstelle zurück, und meine Kollegin Dagmar Christians, die auch bereits an dem Projekt mitarbeitete, übernahm meine Aufgabe. Leider war ich dadurch an der Schlussredaktion der ersten beiden Menäenbände, die 1996 und 1997 erschienen sind, nicht mehr beteiligt, so dass diese viele vermeidbare Fehler enthalten.

Inzwischen war 1993 Hans Rothe emeritiert worden, ihm folgte 1994 auf dem literatur­wis­senschaftlichen Lehrstuhl Wilfried Potthoff (1946–2009) nach, mit dem ich kaum Interessen teilte, und da dieser mich auch in seine Projekte kaum einbezog, blieb mir viel Muße für eigene Forschungsvorhaben. Nach dem Abschluss der Kirchenslavischbücher 1998 fand ich eine neue reizvolle Aufgabe in der Zusammenarbeit mit Majja Andrejevna Momina (St. Pe­tersburg) bei der Herausgabe ihres Lebenswerks, des Triodion nach den ältesten slavischen Handschriften. In Zusammenhang damit stand auch eine Bibliotheksreise im Frühsommer 2003 nach St. Petersburg, wobei ich auch die Gelegenheit erhielt, Novgorod kennenzulernen. Der erste Band des Triodions ist 2004 erschienen, der zweite 2010, der dritte ist in Vor­bereitung.

Abfallprodukte meiner Beschäftigung mit orthodoxer Hymnographie waren Aufsätze zu den Anfängen der slavischen Hymnographie, aber auch über den Apostolos von Enina und die Prager Fragmente; ein Nebenprodukt der Arbeit in der Russischen Nationalbibliothek in St. Petersburg 2003 war der Aufsatz über das Šafařík-Triodion.

 

Literarische Tätigkeit

Nach dem Abschluss des zweiten Kirchenslavischbandes und vor Beginn der Zusam­men­arbeit mit M. A. Momina hatte ich ein Weilchen keine neuen Ideen für wissenschaftliche Ar­bei­­ten. Für die mich interessierende kyrillomethodianische Zeit war ich an die Grenze des Be­weisbaren gestoßen. Lücken, die von der Wissenschaft nicht geschlossen werden können, wollte ich in Romanform mit wahrscheinlichen Hypothesen überbrücken. So begann ich 1999 mit der Arbeit an einem umfangreichen historischen Roman über die Zeit der Slavenapostel unter dem Titel unter dem Titel Slawischer Frühling; die Arbeit daran ist freilich mittlerweile ins Stocken gekommen und wird wohl erst nach meiner Verrentung weitere Fortschritte ma­chen. Nach wie vor ist geplant, dass er, wenn er seine Leser findet (positive Rück­mel­dungen hat es in beachtlicher Zahl gegeben), in einem Slawischen Sommer um die Gestalt des Kon­stantin von Kostenec und einem Slawischen Herbst um die Gestalt des Paisij Veličkovskij seine Fortsetzung finden soll.

Beenden konnte ich hingegen eine Übersetzung aus dem Bulgarischen. Im Sommersemester 2007 hatte ich ein Proseminar über den aktuell von der UNESCO eigens geehrten großen bul­garischen Dichter Emilijan Stanev und seinen Kurzroman Легенда за Сибин, преславския княз durchgeführt. Da dieser Text bisher nicht ins Deutsche übersetzt worden war, habe ich ihn im Laufe des Sommers ins Deutsche übertragen. Das druckfertige Typoskript liegt seit 2007 beim Herausgeber der „Bulgarischen Bibliothek“ und soll nach letzten Informationsstand nun im Mai 2013 endlich im Druck erscheinen.

 

万里旅行

Schon seit meiner Schulzeit hatten China und die chinesische Sprache eine große Faszination auf mich ausgeübt, und schon in der Schulzeit und später in Semesterferien hatte ich immer wieder versucht, ein wenig Chinesisch zu lernen, war aber kaum einmal über 100 Zeichen hin­ausgekommen. Als nun eine gute Freundin, die einen Diplomaten geheiratet hatte, nach Peking ging, war mir dies Anlass, als Vorbereitung auf eine geplante Chinareise ab 2002 zwei Jahre lang modernes wie klassisches Chinesisch zu lernen (Abschluss mit Bestnote, lediglich in Kalligraphie kam ich nur auf 2,0). Meine Hausarbeit schrieb ich über Tonogenese und verglich dazu außer Vietnamesisch und Tibetisch auch das Serbokroatische und Schwedische. Im Herbst 2004 trat ich mit meiner Frau die Reise an, die uns nach Moskau, dann mit der Transsib mit mehreren Zwischenstationen in Sibirien und in der Mongolei innerhalb von zwei Wochen nach Peking brachte, wo wir an den Besuch unserer Freundin eine Rundreise an­traten, die uns fast ausschließlich mit der Eisenbahn bis Lijiang (丽江) führte. Zu dieser Er­fahrung kam die Erweiterung des geistigen Horizonts insbesondere durch die Lektüre klas­sisch chinesischer Philosophie. Der Ansturm von Studierenden zu dem neuen Modefach Sino­logie hat mich nach der Reise leider daran gehindert, meine Studien unter universitären Be­dingungen fortzusetzen, ich fand aber Tandempartner, die mir eine gewisse Kontinuität wenigstens für die moderne Sprache erlaubten. 2007 war ich zum zweiten Male mit meiner Frau in China, weitere Reisen sind geplant, sind aber durch eine 2008 beginnende Hör­be­hin­derung bisher verhindert worden.

Auf Anregung und mit der Hilfe meiner Tandempartnerin und guten Freundin Wang Lingran (王凌然) habe ich die Übersetzung des Buches 中国上下五千年, einer Sammlung chinesischer Sagen, ins Deutsche in Angriff genommen, woraus sich eine Publikation ergeben soll. Angesichts die übrigen wissenschaftlichen Projekte ist die Arbeit daran jedoch mitt­ler­weile zum Erliegen gekommen, soll aber, wenn auch vielleicht erst nach meiner Verrentung, fortgesetzt werden.

 

Herausgebertätigkeit

Am 19. November 2006 erreichte mein verehrter Kollege Helmut Keipert seinen 65. Ge­burtstag und sollte zu dieser Gelegenheit auf Anregung meines jüngeren Kollegen Daniel Bunčić eine Festschrift erhalten. Es gelang uns in gemeinsamer Anstrengung, die Festschrift termingerecht erscheinen zu lassen.

Mein unmittelbarer Vorgesetzer, Wilfried Potthoff, hatte im Oktober 2003 in Bonn ein internationales Symposium zu „Dalmatien als Raum europäischer Kultur­synthe­se“ durch­ge­führt, mit der Vorbereitung der Drucklegung der Beiträge war danach ich beschäftigt. Wil­fried Potthoff schaffte es jedoch auch krankheitsbedingt nicht, seinen eigenen Beitrag und sein Vorwort fertigzustellen, so dass der Band noch nicht erschienen war, als im Oktober 2006 wieder in Bonn eine Nachfolgetagung unter dem Titel „Städtische Kultur in Dal­matien“ stattfand. Auch mit der Vorbereitung des zweiten Sammelbandes wurde ich beauf­tragt, doch trafen, da der erste Band noch immer nicht erschienen nur, nur wenige Typoskripte ein. Erst im Juli 2008 war der erste Symposiumsband druckfertig, doch wurde sein Erscheinen durch Widrigkeiten bei der Finanzierung verhindert, und der unerwartete Tod Wilfried Potthoffs am 17. Oktober 2009 beendete auch die Suche nach alternativen Finan­zierungs­möglichkeiten. Nach Wilfried Potthoffs Tod haben daraufhin Marko Trogrlić und Aleksandar Jakir (Split) in Zusammenarbeit mit mir die Initiative ergriffen, um den Symposiumsband doch noch erscheinen zu lassen. Der Band, der nun Beiträge zu beiden Symposien in sich vereint, ist 2010 bei Filozofski Fakultet u Splitu, Odsjek za povijest / Geschichte, erschienen.

 

Rückkehr zu Esperanto

Das Lehrbuch zur Slavia Latina behandelt, nachdem im 4. Kapitel bereits das Lite­ra­turschaffen der Slavia Latina auf Latein gewürdigt worden war, im abschließenden 16. Kapitel auch das Literaturschaffen der Slavia Latina in der neuen „europäischen Vater­sprache“ Esperanto. Gerade Slavisten sind berufen, sich um die Esperantoliteratur zu küm­mern, ist doch die Sprache selbst im Raum der Slavia Latina im heutigen Polen von L. L. Zamenhof geschaffen worden, der Litauen als seine Heimat bezeichnete und dessen Heim­sprache Russisch war. In meinem Beitrag in der Festgabe für Helmut Keipert zu seinem 70. Geburtstag konnte ich darüber hinaus nachweisen, dass der Anteil der Slavia am Literaturschaffen auf Esperanto fast 50% beträgt, so dass Slavisten mehr als andere Philologen gefordert sind, sich auch mit dieser Literatur zu beschäftigen. Da möchte ich künftig gerne mit gutem Beispiel vorangehen.



Nicolina stellt sich vor

Eigentlich war Nicolina immer schon da. Schon in meiner frühen Kindheit wusste ich, dass ich eigentlich ein Mädchen war. Ich erinnere mich an einen Traum, in dem ich von Indianerinnen an einen Marterpfahl gebunden worden war, von dem ich nur wieder frei kommen konnte, wenn ich bereit war, als Mädchen zu leben. Das habe ich immer gewollt, aber das familiäre und schulische Umfeld, das davon nichts ahnte oder es nicht wahrhaben wollte, versuchte, mich maskulin zu prägen. Ich sollte ein Kavalier sein, ritterlich gegenüber dem weiblichen Geschlecht, aber doch eine Junge. Andererseits reizten mich Jungenaktivitäten nie, habe ich nie gelernt, Fußball zu spielen, dafür aber mit Teddybären, Puppenstube und Kaufladen. Wohl unbewusst vermittelte mir meine Mutter, wie ich mich zu halten habe, wie zu gehen, wie zu sitzen usw.; heute weiß ich, dass das alles weibliche Verhaltensweisen waren, die sie mir zu­sammen mit Misstrauen gegenüber dem männlichen Geschlecht und dem Bewusstsein von der Überlegenheit der Frauen vermittelte. Mehr als einmal hörte ich, dass ich dies oder jenes nicht verstehen könne, weil ich keine Frau sei.

Nachdem ich im Studium mehr Freiheit genoss, habe ich häufiger als während der Schulzeit zu weiblichen Kleidungsstücken gegriffen und mich darin wohler, sicherer, authentischer gefühlt. Auf das Hochgefühl folgte dann aber immer wieder ein Gefühl der Scham, die Über­zeu­gung, etwas Unrechtes, Abartiges zu tun. Immer wieder habe ich alle weiblichen Klei­dungsstücke weggeworfen und mir geschworen, dass damit Schluss sein müsse, habe mir einen Bart stehen lassen, um im Spiegel kein befriedigendes weibliches Bild abgeben zu können, habe mich dem strengen Sittenkodex der orthodoxen Kirche unterworfen, aber alles umsonst. Meine weibliche Seite drängte immer wieder und stärker vor. Auf die jahr­zehn­telange Unterdrückung meines Selbst habe ich schließlich mit Krankheit reagiert. Vor drei Jahren war es dann so weit, dass Nicolina sich nicht länger unterdrücken ließ, sie wollte heraus und endlich leben. Inzwischen weiß ich auch, dass meine Veranlagung keine Krankheit ist und daher auch nicht geheilt werden kann, es ist einfach eine Normvariante, die ca. 0,5 bis 1% der Bevölkerung betrifft. Ich kann mein Frausein also nur akzeptieren oder unglücklich sein.

Meine Frau hat zunächst erstaunlich verständnisvoll reagiert, dann aber doch negativer, als sie merkte, dass es nicht nur ein vorübergehender Spleen war. Inzwischen hat sie sich wohl doch damit abgefunden. Die engste Familie lehnt Nicolina völlig ab, aber im weiteren Familienkreis und unter Freunden finde ich überwiegend Verständnis und Toleranz. Inzwischen habe ich die Erfahrung gesammelt, dass die meisten Mitmenschen gar nicht, teils aber sogar positiv auf mich reagieren, wenn ich ihnen als Nicolina gegenübertrete. Erfreut konnte ich feststellen, dass die Gesellschaft zumindest in Mitteleuropa toleranter ist als man ihr manchmal zutrauen würde.  So ganz kann Nicolina sich allerdings nicht durchsetzen; im beruflichen Raum und in meinen Publikationen muss ich mich damit abfinden, dass als Autor noch immer Nikolaos und nicht Nicolina genannt wird. Das ist wohl ein Zugeständnis, das ich machen muss, um meine Leser nicht zu verwirren (schon der Wechsel von Hartmut zu Nikolaos hat dazu geführt, dass manche darin zwei Autoren gesehen haben, die an einem Projekt zusammengearbeitet haben). Ich kann mich damit arrangieren und verstehe dann eben Nikolaos als mein lite­ra­risches Pseudonym. Öffentliche Ausdrucksmöglichkeiten für Nicolina werden sich vielleicht irgend­wann auch ergeben. Mit dem Wechsel in das Neue Jahr 2013, das mir das Ende des Berufs­lebens bescheren wird, habe ich beschlossen, das bisher nur in einem engeren Zirkel er­folgte Outing zu einem allgemeinen auszuweiten und meine Homepage unter meinem weib­lichen Namen, mit dem ich mich besser identifizieren kann, weiter­zuführen.   


Ruhestand  

Mit Ablauf des 31. Juli 2013 hat meine Dienstzeit geendet. Große Änderungen ergeben sich daraus nicht, denn ich stecke noch immer inmitten etlicher Projekte, die mich auf Jahre hinaus beschäftigen werden. Es besteht sogar die Aussicht, dass ich weitherin unterrichten kann, zwar nicht mehr in Bonn, aber wie schon in diesem Jahr in Köln. Entgegen meinen Erwartungen werde ich auch bei meinen wissenschaftlichen Tätigkeiten als Frau auftreten können. Die aufgrund dieser Homepage an mich als Frau ergangene Einladung, am 27. Juni 2013 in Berlin einen Vortrag zu halten, habe ich zum Anlass genommen, nunmehr vollständig, und nicht nur in der Freizeit, offen als Frau zu leben.

So sehr es mich freut, weiterhin wissenschaftlich tätig sein zu dürfen, hoffe ich dennoch, daneben doch Muße zu finden nicht nur für Wanderungen, die mir am Herzen liegen, sondern auch für meinen historischen Roman und die weitere Beschäftigung mit dem Hobby Chinesisch.


 
 
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